Bommelholger Posted February 3, 2022 Share Posted February 3, 2022 Die Gesichte ich schon etwas älter - passt aber vielleicht ganz gut zum Einstieg 14 Jahre ist es her, seit ich die letzte Fahrt mit meiner „Roten Göttin“, einer Daytona 1000 Biposto aus der ersten Serie, unternommen habe. Damals, zusammen mit meinem fünfjährigen Sohn auf der engen Einmannsitzbank der Monoposto, zu zweit und nur ca. zwei Kilometer weit. Nach zwei Kilometern hatte ich den linken Stiefel voller Öl und ich war froh mit meinem Jungen wieder heil zuhause angekommen zu sein. Da ich die Stelle des Ölaustritts nicht finden konnte, packte ich die Daytona kurzerhand ein und brachte sie zu Ronald DÄS nach Süd- Deutschland, der damals noch sagte, „Das kann nichts Großes sein“. Ronald hatte damals meine MGS 01, die meiner Scheidung zum Opfer fiel, und meine V 13 Centauro, die meiner zweiten Frau zum Opfer fiel (sie wollte mit ihrem gewohnten Hausstand mitfahren und das war mit der V 13 nur bedingt möglich) in der Wartung. Als die MGS und die Centauro verkauft waren, zog ein PS – Monster von BMW (ja ich gebe es zu) bei uns in die Garage ein. Bisschen zu schwer, aber eben ein Alleskönner mit allem Pipapo der deutschen Ingenieurskunst. Immerhin war ich ja noch ein „Guzzist“, weil ja noch meine alte Daytona im „fernen Ländle“ war. Mit den Jahren wurde die Sehnsucht nach meiner „Roten Göttin“ immer größer und die Anrufe bei Ronald immer häufiger und drängelnder. Wer Ronald kennt weiß, dass er phantastische Arbeit leistet, er aber ein penetranter Perfektionist ist. Man bekommt ein Motorrad eben erst wieder, wenn es wirklich perfekt ist. Punkt! Im Falle meiner Daytona hat es 14 Jahre gedauert;-) Nach mehr als 47000 Kilometern überstand fast kein Teil im Motor und im Getriebe dem prüfenden Blick von Ronald. Mehr dazu vielleicht mal in einer anderen, langen (sehr langen) Geschichte. Das kurz zur Vorgeschichte. Die eigentliche Geschichte fand nun heute statt. Nach 14 Jahren, das erste Rollout mit der fast 30 Jahre alten „Dame“. Der Wettergott hatte endlich ein Einsehen und ich, am Sonntag Zeit und die Freigabe vom Familienrat, Motorrad zu fahren. Ein Freund mit seiner GS HP neuster Bauart (natürlich mit Vollausstattung und allerlei Helferchens) wollte mich begleiten und lächelte mitleidig als er mich zuhause abholte und die Daytona in der Sonne glänzen sah. Und dann ging es los, die ersten Annäherungsversuche nach 14 Jahren Guzzi - Abstinenz. Die ersten Schaltvorgänge landeten in „Neutralbereichen“ zwischen den Gängen, wo eigentlich keine sein sollten. Schaltwege, lang wie Marathonläufe mussten von einem Schaltfuß, der nur noch exakte Kurzstrecken auf einem Schaltautomat gewohnt war, überwunden werden. Und dann diese Handlichkeit, bei gefühlten zwei Meter Radstand. Ruckdämpfer? Sowas brauchte ein Daytonafahrer vor 30 Jahren offensichtlich nicht. Das Fahrwerk der Göttlichen lässt sich als direkt oder sportlich stramm beschreiben. Jede Bodenwelle wird direkt, und sportlich schnell, an die altersschwachen Bandscheiben durchgegeben und größere Bodenunebenheiten schlagen direkt bis zum Stammhirn durch. Kreiselkräfte vom Motor, die dich in die eine Kurve reindrücken und aus der anderen geradezu rausziehen wollen. Wie bin ich da nur vor 20 Jahren funkensprühend durch die Kurven der Landstraßen im Weserbergland geschliffen? Gedanken, die mir die ersten 100 Kilometer im Katalysator gereinigten Abgasstrahls meines Freundes, hinter der BMW durch den Kopf gingen. Dann gab’s erstmal einen Corona - Kaffee von der Tanke in der Sonne am Straßenrand. Natürlich regelgerecht mit 1,5 Meter Abstand zueinander. Mit einem Kaffee im Bauch ging’s weiter und die Daytona und ich kamen uns langsam wieder näher. Winglets, Bordcomputer, Ganganzeige, Fahrassistenzen wie Quickshifter mit Blipperfuntkion, Anti Hopping Kupplung, Taktionskontrolle, Antiwheehlisystem, dynamisches Fahrwerk oder einstellbares Kurven ABS sind Dinge, die vor 30 Jahren noch nicht ins italienische übersetzt waren, und die man auch so auf der Landstraße eigentlich nicht braucht. Zumindest nicht, wenn man sich erstmal wieder dran gewöhnt hat, und sich auf das wesentliche konzentriert. Dann ganz im Gegenteil. Für eine alte Guzzi, hat die perfekt durchgeschraubte Daytona ne Menge Pferde im Stall, die ab 4500 Umdrehungen die alte Dame ganz schön aus der Ecke drücken. Straßen, die mir sonst erst weit jenseits der Führscheingrenze Spaß gemacht haben, sind nun richtige Herausforderungen, die ich gern angenommen habe. Aber auch im Schmusebetrieb macht die Guzzi mit ihrem wohligen Bullern und dem angenehmen Vibrationen einfach nur Spaß. Und nur darum geht’s! Und wer sagt‘s denn, nach 160 Kilometer Annäherungsversuchen zwischen der Daytona und mir, kurz vor der eigenen Haustür auf der Hausstrecke, fasse ich mir ans Herz, lasse die Daytona über 7000 drehen und den Antriebsstrang auf Zug (wichtig, ganz wichtig!). Die Lafanconis donnern höllisch, aus dem Luftfilterkasten brüllt es, als wird er in die riesigen Schlunte der aufgezogenen Drosselklappen eingezogen. Gemeinsam gehen „wir“ in einer Rechtskurve außen an meinem verdutzen Freund mit seinem Highttecheisen vorbei und „wir“ werfen uns, als eine Einheit, in die nächste Linkskurve und verschaffen „uns“ nach hinten Luft. Die nächsten fünf Kilometer gehören der Daytona und mir (uns!). Grinsend bis über beide Ohren fahre ich bei uns auf den Hof und stelle die Daytona in die Sonne. Das mitleidige Lächeln ist verschwunden und nein, mein Freund möchte keinen Kaffee mehr bei uns trinken, er will noch mit seiner Frau Fahrrad fahren. Das werde ich mit meiner Frau heute auch noch tun. So ändern sich die Zeiten. Aber eins ist doch wie damals. Die Daytona macht einfach unheimlichen Spaß und ich hoffe das geht uns noch eine ganze Weile so! Bommelholger # 321 Daytona 1000, die „Rote Göttin“ aus Nortmoor, der Perle im Norden;-) 6 Quote Link to comment Share on other sites More sharing options...
Guzzi - Mann Posted February 3, 2022 Share Posted February 3, 2022 Schöne Geschichte👍! Grüße Tobias 1 Quote Link to comment Share on other sites More sharing options...
holger333 Posted February 3, 2022 Share Posted February 3, 2022 Moin Bommelholger, so muss es sein... die Motorradliebe für Guzzi`s aus Mandello del Lario... schlummerte lange Jahre und Du hast sie wieder wach geküsst 👍 Ich kann es bestens nachfühlen...schon beim lesen... Gruß Holger 1 Quote Link to comment Share on other sites More sharing options...
Husky Posted February 4, 2022 Share Posted February 4, 2022 Hallo Holger, willkommen im Forum. ich glaube, deine Geschichte auch aus der Motalia zu kennen. Freue mich für dich, das die Freude am Fahren nicht verloren gegangen ist. Ich hatte noch bis vor kurzum eine 1225ccm Daytona RS, von der ich mich getrennt habe. Werde es mein Leben lang bereuen. Gruß Willi Quote Link to comment Share on other sites More sharing options...
Harun_Antalya Posted February 4, 2022 Share Posted February 4, 2022 Sehr schöner Bericht. 👍 Harun 1 Quote Link to comment Share on other sites More sharing options...
Bommelholger Posted February 4, 2022 Author Share Posted February 4, 2022 vor 10 Stunden schrieb Husky: Hallo Holger, willkommen im Forum. ich glaube, deine Geschichte auch aus der Motalia zu kennen. Freue mich für dich, das die Freude am Fahren nicht verloren gegangen ist. Ich hatte noch bis vor kurzum eine 1225ccm Daytona RS, von der ich mich getrennt habe. Werde es mein Leben lang bereuen. Gruß Willi Moin Willi, danke für die Aufnahmegrüße. Ja, die Geschichte war schon mal in der Motalia. Die Brust-OP ist schon beim Ronald beauftragt und soll im Nächsten Winter durchgeführt werden. Er hat mir versprochen diesmal keine 14 Jahr zu benötigen. Muss schon ganz schön runterschalten, wenn ich mit den Großen Jungs zum Spielen gehe und sie mit ihrem neumodischen Großserienscheiß ärgere;-) Mensch ne RS - gibt man doch nicht weg. Aber was sage ich, hab selber schonmal ne MGS01 gehabt und habe sie verkauft:-( Hoffe Du hast eine gute Ersatzdroge! Munter Gruß Bommel Quote Link to comment Share on other sites More sharing options...
Berliner Posted February 4, 2022 Share Posted February 4, 2022 Schöne Geschichte, der Ronald heißt aber eigentlich Roland. Und wenn man ihn ab und zu erinnert, dass da noch ein Motorrad bei ihm steht das man gerne wieder hätte, dauert es ja auch keine 14 Jahre 😉. Da fällt mir gerade ein, meine Griso steht ja auch noch in Birkenlohe 😲. Ne, da mach ich mir keine Sorgen und wenn es etwas länger dauert, wie du sagtest, er will es halt perfekt haben. Da wartet man dann gerne auch mal ein bißchen. Mit 14 Jahren bist du aber sicherlich Rekordhalter 😂. 1 Quote Link to comment Share on other sites More sharing options...
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