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Inneres


Querverkehr

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Nicht unbedingt mit einer Guzzi gefahren, aber: lest selbst!

 

Bin Ende der Neunziger des letzten Jahrhunderts im Frühsommer mit dem Motorrad in der mongolischen Nordgobi unterwegs. Von Ulan Bator aus soll es nach Dalanzadgad gehen. Nahe der nordchinesischen Grenze. Sehr karge Landschaft. Sand, Steine, ein paar Büsche. Bin noch nicht lange unterwegs, und leider habe ich mich total verfranzt. Einer der vielen Sommer-, Winter-, Ausweichwege mit tiefen Spurrillen und Erosionsrinnen im freien Gelände war wohl der falsche. Teerstraße? Vielleicht in hundert Jahren. Aber wo bin ich? Karte? Lächerlich. Kompass? Grobe Richtung. GPS? Hahaha.

Am Horizont kann ich eine Jurte entdecken, irgendwo im Nirgendwo, kann man ja mal fragen dort. Uiuiui, die Anfahrt ist etwas schwierig. Erst einen Hang runter durch ein ausgetrocknetes Flussbett. Umfahren unmöglich. Kindskopfgroße Steine donnern an den Motorschutz und klingen wie hektische, arhythmische Glockenschläge. Das Geräusch gefällt mir gar nicht. Und die Fuhre ist in dem Geholper kaum zu halten. Das Gepäck hinten drauf zerrt in alle Richtungen. Der 30-Liter-Tank ist auch nicht gerade leicht. Mühevoll geht es im Schritttempo voran. Stein über Stein über Stein über… Zum Glück ist kein Wasser da. Aber wenn der Regen kommt, wird dieser staubtrockene Abschnitt zu einem reißenden Fluss. Da geht gar nichts mehr. Jetzt nur noch eine Auffahrt an der anderen Seite des Jarlag finden. Der Hang ist steil und steinig, das Hinterrad bricht aus, fasst wieder, bricht aus, fasst wieder. Fühle mich wie auf einem hoppelnden Känguru. Kleiner Sprung mit Schwung über den Rand. Wiese. Und gleich wieder ein Graben. Ausweichen unmöglich. Das Vorderrad taucht hörbar bis zum Anschlag ein, wieder hoch, das Hinterrad schlägt nach oben, mich katapultiert es von den Fußrasten, Beine in der Luft, parallel zum Boden, hänge ich am Lenker und das Wiederaufkommen auf die Sitzbank tut weh. Aber ordentlich. Frage mich sofort, was besser wäre. Dieser doch heftige Schlag in die Weichteile oder ein Sturz. Zähne zusammenbeißen und weiter. Jetzt ist ja Wiese. Die Lage der Jurte ist gut gewählt. Macht es Ungebetenen etwas schwer dorthin zukommen. Dazu zähle ich mich mal nicht. Jetzt langsames Heranfahren an die Behausung. Ist noch siebzig Meter weg. Ich kann ca. ein Dutzend festgebundene Pferde erkennen, Jungfohlen dazwischen, ein paar Schafe und Ziegen drumherum. Und Hunde. Sechs Stück. Und die sind sehr aufmerksam und meistens bissig. Müssen mich gehört haben, die Biester, weil schon kommt das Rudel angejagt, um den vermeintlichen Eindringling abzuwehren. Bellen, gefletschte Zähne, geifernde Lefzen. Noch sind sie etwas entfernt. Doch die Distanz wird kleiner. Na, hoffentlich geht das gut. Auf die Fußrasten gestellt und Vollgas Richtung Jurte. Vorher noch einen Tritt gegen einen tierischen Angreifer, die jetzt gleichauf sind. Verfehlt. Hält das Monster aber nicht davon ab, mir gleichfalls in Höchstgeschwindigkeit zu folgen. Und in der Gefolgschaft die anderen fünf. Und alle wollen mich schnappen. Die Jurte ist noch… Schei…, noch ein Graben. Rumms. Durch. … dreißig Meter weg.

Ein Mann vor der Türe. Muss gerade erst rausgekommen sein. Blickt in meine Richtung. Drei, vier weitere Nomaden nun vor der Jurtentüre, gekleidet im traditionellen Deel, einem überknie langen Mantel mit orangefarbener Hüftbinde und beobachten mein Nahen neugierig und mit breitem Grinsen. Winke und grüße beim Ankommen höflich und bitte, die Hunde, die mich gleich haben werden, zu halten. Kurzer Pfiff, die Biester halten respektvoll Abstand, das Gefletsche hört auf und nur noch heiseres Bellen kommt aus den Hundekehlen. Uff. Kaum habe ich den Helm runter und bin abgestiegen werde ich sehr freundlich vom Herrn des Hauses, eigentlich der Jurte, empfangen und sofort hereingebeten. Jetzt bloß nicht auf die Schwelle treten. Bringt Unglück oder Verderb über das Heim. Die anderen drei Personen, keine vier, erweisen sich als die Gattin und zwei Kinder, große Kinder, fast schon erwachsen. Auch sie folgen in das Nomadenzelt.

Der Duft ist heftig in der Jurte. Ein irres Gemisch aus allem Möglichem. Schweiß, Schlaf, Hammel, Hund, Blut, Ofenrauch, verbrannte Kuhfladen, Essen und irgend etwas unbestimmtes. Die Jurte misst ca. sechs Meter im Durchmesser, in der Mitte steht der Herd, vom Eingang aus links immer der Gastbereich, Kopfende der Platz des Mannes, rechts, die „Küche“, besser Geschirrlager mit kleinem Tischchen für Frauen und Kinder. Und das, wie ich nun auf dem Zeltboden erkenne, frisch geschlachtete Schaf. Schon gehäutet und zerteilt. Auf dem Herd simmert ein Topf leise vor sich hin. Teewasser, glaube ich.

 

Ich konnte mein Anliegen noch nicht vortragen und versuche nun mit meinen rudimentären Sprachkenntnissen der Höflichkeit genüge zu tun. Aber zunächst wird mir eine Schale mit Airag / Kumis, vergorene Stutenmilch, vorgesetzt. Dankbar nehme ich an, bin durstig und auch vorbereitet. Hatte schon vor der Abfahrt ein paar Gläschen getrunken. Der Geschmack ist einzigartig. Dazu eine sehr geschmeidige Konsistenz, dickflüssiger als normale Kuhmilch. Richtig betrunken macht es nicht, nicht mal durcheinander, aber regelmäßig ist der erste Schluck im Jahr dazu geeignet, das eigene Gekröse von sämtlichen Inhalt zu befreien. Und das sofort und blitzartig. Das will man nicht, wenn man irgendwo zu Gast ist. Es tritt dann eine Gewöhnung ein. Vielleicht noch ein paar heftige Flatulenzen, aber der Speedrun zur Toilette ist passè. Wir kommen, so gut es geht, etwas ins Plaudern, woher, wohin (das will ich ja wissen), wie alt, Kinder, Pferde, Motorrad, (die russischen sind ja vieeeel besser). Es zieht sich, und ich werde etwas zappelig, das Licht draußen geht langsam weg und ich habe noch ein paar Kilometer vor mir. Meine Gastgeber lassen allerdings nicht locker. Offenbar kommt es nicht so oft vor, dass eine Langnase hereingeschneit kommt, die sich auch noch halbwegs verständlich artikulieren kann. Da ist das Informationsbedürfnis groß und man kann auch später noch lange drüber reden. Der am Morgen gemetzelte Hammel kommt jetzt in den Focus, dessen Teile noch an der rechten Seite der Jurte liegen. Auf dem Schemel daneben steht eine Schüssel mit Deckel. Ein Mädchen holt auf Anweisung die Schüssel, hält sie mir unter die Nase und bietet mir den Inhalt feil. Drinnen die grau gekochten Innereien des Hammels. Praktisch am Stück. Herz, Lunge, Nieren. Alles da, nur überhaupt nicht mein Ding. Schon der Anblick ist gruselig und der Geruch, der sich nach dem Öffnen des Deckels schlagartig in der Jurte verbreitet, erst recht. Ich fühle, wie ich blass werde. Jetzt in den Spiegel gesehen, ich hielte mich selbst für ein blutloses Gespenst. Schnell dankend lehne ich ab, traue mich und frage endlich nach dem Weg, raffe mich auf und verabschiede mich wohl etwas hastig, aber nicht ohne mich bei meinen Gastgebern mehrmals zu bedanken. Rauf aus Moped und weiter. In die frische Luft der Wüste.

 

(to be continued)

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Wenn einer eine Reise tut, kann er was erzählen.................

Toll daß Du uns mitteilst von Deiner Reise, oder war's mehr ein Abenteuer ? Was Deine Geschichte vervollständigen würde, ist die Angabe des Motorrads mir dem Du in Zentralasien unterwegs warst. 30 Liter Tank ? Haben nicht viele Motorräder. Macht mich neugrierig.......

@Querverkehr Bilder werden hier ganz gerne bei Guzzist gesehen. Aus solch fernen Landen bestimmt noch viel lieber. Von dem Airag hab ich schon von anderen Reisenden gehört, ist nicht jedermanns Geschmack. Wohl dem der's runterbekommt. Laß uns noch mehr wissen von Deiner außergewöhnlichen Reise.

                    mfg    Jürgen

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