Lutz Posted June 7, 2019 Share Posted June 7, 2019 (edited) Vorwort Frühkindliche Prägung: Der Weg zum Kindergarten führte über einen Bahnübergang, der immer gerade dann geschlossen wurde wenn meine Mutter mit mir ankam. Schon das Schließen der Schranken mit dem damals üblichen mechanischen Leutewerk faszinierte mich, war aber nichts im Vergleich zur kurze Zeit später vorbeibrausenden Dampflok. Jedes Mal aufs Neue war ich wie gebannt. Wahrscheinlich schon da habe ich mich mit dem Bazillus Eisenbahn infiziert. Der Schrankenwärter prophezeite meiner Mutter: "Der wird mal Eisenbahner!" Er hatte Recht. ------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------ Anfang Juni 2019, Gelegenheit für eine Lonely Rider Tour, es müssen ja nicht immer die Alpen sein. Also brach ich auf in meine alte Heimat Sachsen, dort dampft es noch an einigen Orten. Mehrere Schmalspurbahnen (Spurweite 750mm) verkehren noch fahrplanmäßig mit Dampflok bespannt als Touristenattraktion und einige Museumsbahnen bieten Fahrten an ausgewählten Terminen. Quer durch die Oberpfalz ging es zunächst nach Tschechien, über Cheb nach Sokolov. Das Falkenauer Becken (Sokol = Falke) ist eine arg geschundene Tagebau-Mondlandschaft, abstoßend und faszinierend zugleich: Falkenauer Becken Nun ging es das Erzgebirge hinauf, über Bozi Dar und den Wiesenthaler Pass fiel ich in Sachsen ein, erstes Zwischenziel war Oberwiesenthal, Endpunkt der Fichtelbergbahn. Leider war ich ein wenig spät dran, habe gerade noch einen abfahrenden Zug hinunter nach Cranzahl filmen können. Nur ein paar Kilometer weiter liegt Jöhstadt, Endpunkt der Preßnitztalbahn - eine erstklassige Museumseisenbahn! Die Strecke hinunter nach Wolkenstein war bis Mitte der 1980er Jahre in Betrieb und wurde dann abgebaut. Nach der Wende hat ein Verein das obere Teilstück von Jöhstadt bis Steinbach wieder aufgebaut und ganze Arbeit geleistet! Jöhstadt Lange hielt ich mich nicht auf, denn mein Tagesziel lag noch ein ganzes Stück entfernt an der Elbe. Ich verließ das Erzgebirge und erreichte am Nachmittag bei fast schon unerträglicher Hitze die Kleinstadt Radebeul vor den Toren Dresdens. Im Ortsteil Altkötzschenbroda schlug ich mein "Basislager" auf. Altkötzschenbroda Radebeul war nicht von ungefähr mein Ziel, denn auch hier dampft es (sogar zweimal, aber davon später). Eine Fahrt mit der Lößnitzgrundbahn, die von hier aus über Moritzburg nach Radeburg führt war der Tagesabschluß. Gemächlich stampfte das Züglein durch die Stadt, dann an Weinbergen vorbei und schlängelte sich im engen Tal der Lößnitz aufwärts bis zum Dippelsdorfer Teich, der auf einem Damm überquert wird. In Moritzburg hatte ich genug Zeit um das bekannte Jagdschloß von August dem Starken zu besuchen, bevor es mit der Bimmelbahn zurück nach Radebeul ging. Schloß Moritzburg Am nächsten Tag hatte die Mille GT frei. Per Pedes ging es an die Elbe hinunter, denn auch da dampft es noch: Die Sächsische Dampfschifffahrt besitzt neun historische Raddampfer, die größte derartige Flotte der Welt. Ich ging in Radebeul an Bord des Glattdeckdampfers "KRIPPEN" und fuhr entlang der Sächsischen Weinstraße bis zum Endpunkt in Seußlitz - eine ganz gemächliche Art des Reisens (neudeutsch heiß es ja wohl "entschleunigt"(was für ein Schei....wort!)) Auch hier faszinierende alte Technik, eine oszillierende Zweizylinder-Dampfmaschine: Nach knapp einer Stunde Fahrt tauchte die Silhouette von Meißen mit Dom und Albrechtsburg auf und weiter ging es an den Weinbergen des nördlichsten deutschen Weinanbaugebietes entlang der Endstation Seußlitz entgegen. Meißen Wendepunkt Seußlitz Nach einer Pause in einem Weingut ging es die gleiche Strecke zurück, es war ein ganz entspannter Tag. Tag drei, die Rückfahrt. Frühzeitig verließ ich das Elbtal, machte einen groooßen Bogen um Dresden (ist zweifellos eine der schönsten Städte Deutschlands, aber während des morgendlichen Berufsverkehrs genauso besch... wie alle anderen Metropolen) und fuhr aufs Osterzgebirge hinauf, die Weißeritztalbahn wollte ich auch noch mitnehmen - und ich hatte Glück: Im Bahnhof Schmiedeberg war ein Arbeitszug zur Unkrautbekämpfung unterwegs, bespannt mit einer Länderbahnlok der Gattung Sächs. IV K, die sonst nur für Sonderzüge zum Einsatz kommt: Auf kleinsten Straßen übers Osterzgebirge erreichte ich schließlich wieder die Kammlage, fuhr bei Reitzenhain hinüber nach Tschechien und auf dem Kamm entlang in Richtung Klinovec / Keilberg, mit 1248 m der höchste Berg im Erzgebirge, der Gipfel ist genau wie der gegenüberliegende Fichtelberg (1214 m) anfahrbar. Irgendwo am Erzgebirgskamm, die Wolkendecke verheißt nichts Gutes Mein Vorhaben, den Fichtelberg noch anzufahren ließ ich ganz schnell fallen, eine schwarze Wolkenwand zog ziemlich flott die Hänge hinauf, Blitz und Donner im Sekundenabstand ließen es geraten erscheinen sich schleunigst vom Acker zu machen! Beinahe fluchtartig verließ ich die Kammregion in Richtung Karlovy Vary und nahm sogar die Autobahn bis Cheb, denn auch auf tschechischer Seite sah es nach Unwetter aus. Rückkehr nach Deutschland bei Waldsassen und auf bekannten Pfaden zurück nach Nürnberg, trocken angekommen - alles bestens! Und auch die Mille GT ist gelaufen wie immer - ist halt ein braves Roß! ... ein Filmchen gibts auch: Edited June 7, 2019 by Lutz 1 Quote Link to comment Share on other sites More sharing options...
ulistone Posted June 7, 2019 Share Posted June 7, 2019 Hallo Lutz, schöner Bericht, tolle Bilder. Das interessiert mich auch. Guter Vorschlag für einen Kurzurlaub. Gruß Uli Quote Link to comment Share on other sites More sharing options...
MV_Oldtimer Posted June 7, 2019 Share Posted June 7, 2019 Hallo Lutz Sehr schöne Bilder , ein tolles Video untermalt mit den Geräuschen von dampfbetriebenen Lokomotiven und einen sehr interessanten Bericht hast du hier unter Reiseberichte eingestellt . Da werden Kindheitserinnerungen bei einem Menschen mit dem Baujahr 1941 wach . Wir wohnten damals auf einem kleinem Dorf direkt an einem Zentralbahnhof und die Geräusche und den Geruch von Lokomotiven vergisst man dann ein Leben lang nicht . Ich denke , wenn ich Dir die mir bekannten Kleinbahnen unter Dampf in Mecklenburg/Vorpommern nenne , sage ich dir nichts Neues . Da gibt es 1. Den " Rasenden Roland" von der Rügenschen Kleinbahn der die Strecke Putbus , Binz , Sellin , Baabe , Göhren fährt . 2. Die Mecklenburgische Bäderbahn Molli von Bad Doberan nach Kühlungsborn . Gruß Helge Quote Link to comment Share on other sites More sharing options...
Guzzi - Mann Posted June 8, 2019 Share Posted June 8, 2019 vor 10 Stunden schrieb MV_Oldtimer: 2. Die Mecklenburgische Bäderbahn Molli von Bad Doberan nach Kühlungsborn . Gruß Helge Mit der bin ich als Kind auch schon mitgefahren, Helge. Wie immer, sehr schöner Reisebericht, Lutz! Grüße Tobias Quote Link to comment Share on other sites More sharing options...
Guest lozärn Posted June 8, 2019 Share Posted June 8, 2019 Hallo Helge Einen faszinierenden Bericht hast Du da geschrieben! Eine schöne Idee mit dem Motorrad die Erinnerungen und die Faszination der Kindheit noch einmal zu erleben. Und: Deutschland ist schön! Zu Land und zu Wasser allemal. Ich bin beeindruckt! Danke schön! Gruess, Ingo Quote Link to comment Share on other sites More sharing options...
Guzzi - Mann Posted June 8, 2019 Share Posted June 8, 2019 Hast du dich da jetzt in der Anrede vertan, Ingo? Grüße Tobi Quote Link to comment Share on other sites More sharing options...
MV_Oldtimer Posted June 8, 2019 Share Posted June 8, 2019 Hallo Ingo Du hast recht dieser Reisebericht und die Bilder , das Video alles sehr gut . Ich habe den Bericht aber nicht geschrieben . "Ehre wem Ehre gebürt " und das ist der Lutz . Da hast Du Dich vertippt . Gruß Helge Quote Link to comment Share on other sites More sharing options...
Guest V 7 Posted June 10, 2019 Share Posted June 10, 2019 Super Lutz! Toller Bericht - tolle Bilder und Video - tolle Technik! Ich habe solche Bahnübergangsverzögerungen als Kind auch immer als sehr kurzweilig angesehen - ganz im Gegensatz zu meinem Papa, der konnte das nur teilweise nachvollziehen, hat sich aber dann doch immer über das breite Grinsen auf Juniors Gesicht gefreut, wenn Lok/Zug vorbeigedampft sind. Ansonsten hat es bei mir nur zu H0 gereicht - leider auch die schon wieder abgebaut. Aber ist noch alles da. DLzG, der Oli Quote Link to comment Share on other sites More sharing options...
Guest lozärn Posted June 12, 2019 Share Posted June 12, 2019 Am 8.6.2019 um 13:10 schrieb Guzzi - Mann: Hast du dich da jetzt in der Anrede vertan, Ingo? Grüße Tobi Oha, ja stimmt Danke Tobi! Und Danke auch Dir Helge. Super gemacht, Lutz! ? Quote Link to comment Share on other sites More sharing options...
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